Auf Kaisers Spuren

28.06.2023
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Magazin Eugendorf 01/23, Ischlerbahn, Historie, Fahrrad, Rad, Radweg

Zwischen Eugendorf und Bad Ischl lernen Gäste viele Kuriositäten kennen. Und zwar auf schmaler Spur: früher in der qualmenden Ischlerbahn, heute sportlich auf Fahrradreifen.

Trendsetter war wieder einmal »Seine Majestät«. Jahr für Jahr bezog Kaiser Franz Joseph I. seine Sommerresidenz in der Kurstadt Bad Ischl. Adelige, Unternehmer, Künstler, Celebrities und andere »Follower« der Habsburgermonarchie gesellten sich dazu. Wo der Kaiser war, wollten auch sie sein – gleich mehrere Wochen lang. Die Sommerfrische als Prototyp des geruhsamen Sommerurlaubs war geboren. Viele reisten mit der sogenannten Ischlerbahn an.

Diese eingleisige Schmalspur-Dampfeisenbahn schnaufte zwischen 1893 und 1957 von der Mozartstadt Salzburg nach Bad Ischl. Auf diesen 63 Kilometern brachte sie einen Hauch der großen, weiten Welt in die abgelegenen Dörfer. Zum Beispiel nach Eugendorf.

Eugendorf: Gleise als Tor zur Welt

»Für mich als Schüler war Zugfahren eine Sensation!«, erinnert sich Andreas Wintersteller. Er bewohnt in Eugendorf-Kalham das längst umfunktionierte Bahnhofsgebäude der Ischlerbahn. »Sonst bin ich aus dem Ort nicht rausgekommen. Wir hatten ja nur ein Waffenrad für die gesamte Familie.«

Gleise sieht man heute längst keine mehr, wohl aber Genussradfahrer. Sie erfahren im wahrsten Sinne des Wortes den nostalgisch-charmanten Flair der Dampfeisenbahn. Und zwar am beschilderten, 59 Kilometer langen Abschnitt des »Salzkammergut-Radweges« zwischen Eugendorf und Bad Ischl. Der Radweg folgt teilweise der historischen Bahntrasse mit ihren gemächlichen Steigungen, vorbei an schönen Sehenswürdigkeiten. Auf ihm wird klar, was Touristen hier seit jeher so anzieht: Es ist der Bilderbuchmix aus schroffem Gebirge und lieblichem Alpenvorland mitsamt ein paar tiefblauen Seen.

Bauherr Josef Stern soll zur Trassenfindung der Ischlerbahn sogar Künstler und Fotografen ausgeschickt haben, um die »landschaftlich vorzüglichsten Stellen« zu finden.

Gut für die Passagiere. Nur eilig durften sie es nicht haben. Die »Neue Illustrierte Wochenschau« berichtete: »Qualmend, zischend und schnaubend holpert das Züglein durch die Landschaft. Auf dem schmalen Band der Geleise kommt es eifrig dahergewackelt. […] Die kleine Maschine gibt her, was eben drinnen ist in ihrem kleinen Kessel. Das ist nicht sehr viel, aber es reicht für die Reisegeschwindigkeit von 20 Kilometer in der Stunde.«

Heute schafft das ein E-Scooter. »Wenn die Ischlerbahn bergauf fuhr«, lacht Johann Strasser, Ex-Bürgermeister von Eugendorf, »konntest du aussteigen und nebenbei Blumen pflücken.“ Franz Radauer, Ischlerbahn-Experte aus Eugendorf, pflichtet bei: »Der Zug war teilweise so langsam, dass Fahrgäste, die zwischen zwei Haltestellen wohnten, während der Fahrt absprangen und übers Feld nach Hause gingen.« Der Vorteil der Gemächlichkeit: Anrainern blieb genügend Zeit, um die Wäsche abzunehmen, bevor die rußspuckende Ischlerbahn sie »einfärbte«. Wäschetrocknen nach Fahrplan, sozusagen.

Scharflinger Höhe: bergauf Dampf ablassen

Bei St. Lorenz, unter der imposanten Drachenwand, zweigte eine 3,5 Kilometer lange Stichstrecke der Bahn nach Mondsee ab. Auch heute für Zugliebhaber am Drahtesel ein lohnender Abstecher: Im Mondseer »Verkehrs- und Ischlerbahnmuseum« finden sie Lokomotiven, Waggons und andere Originalgegenstände von anno dazumal.

Kurz hinter St. Lorenz begann das abenteuerlichste Stück der Ischlerbahn: Spektakulär kämpfte sie sich vom Mondsee zur Scharflinger Höhe hinauf, eng an die felsige Bergflanke geschmiegt und durch vier Tunnel. Die kleine Bahn ächzte, dampfte und pfauchte – wie manche Radfahrer der Gegenwart. Denn auf die Scharflinger Höhe führt – etwas abseits der historischen Bahnstrecke – der einzig heftige Anstieg der Radroute: mit zwei Kilometern und 120 Höhenmetern am Stück. Gut, wer hier »Dampf« in den Oberschenkeln hat. Oder im E-Bike-Akku.

St. Gilgen: Abstecher nach oben

Vom Scheitelpunkt rollt es sich dafür umso flotter bergab, vorbei am dunklen Krottensee (auf dessen Grund noch ein US-Jeep aus der Nachkriegszeit ruhen soll) und am qietschgelben Schloss Hüttenstein. In St. Gilgen, bildhübsch am Wolfgangsee gelegen, ermuntern etliche Attraktionen zum Absteigen: Das Mozarthaus bei Regen (irgendwo muss die sattgrüne Landschaft ja herkommen …), bei Kaiserwetter hingegen die neue Zwölferhorn-Seilbahn oder die Schafberg-Zahnradbahn. Letztere schnauft seit 1893 Zahn um Zahn fast 1200 Höhenmeter hinauf zur legendären Aussicht. Und zwar von St. Wolfgang, erreichbar per Schiff von St. Gilgen, Gschwendt oder Strobl. Besser ist es aber, diese Abstecher auf einen späteren Besuch zu verschieben. Schließ-lich dauert alleine die Radtour von Eugendorf nach Bad Ischl etwa vier Stunden, die Rückreise mit dem Bus nach Eugendorf etwa 1 ¾ Stunden.

Wolfgangsee: Kurioses am seidenen Faden

Am Radweg entlang des Wolfgangsees warten dann mehrere Kuriosi-täten. Zum Beispiel die originellste Ischlerbahn-Haltestelle beim ehema-ligen Braugasthof Lueg. Hier hielt der Zug mitten im Gastgarten, zwischen Bierkrügen und karierten Tischdecken. So viel Nähe kann auch nach hinten losgehen: Im März 1920 äscherte Funkenflug der Ischlerbahn das Bierlager des Gasthofs komplett ein.

Oder die Seidenfadengrenze: Auf Höhe des Moorgebiets Blinklingmoos, wo 1925 ein Föhnsturm einen kompletten Ischlerbahn-Zug von den Gleisen wehte, verläuft zur Linken die erstaunlichste Bundes-ländergrenze Österreichs.Um sie festzulegen, spannte man zwischen St. Wolfgang und Strobl einen Seiden-faden quer über die Wasser-fläche. Dessen Ende in St. Wolfgang liegt jedoch auf einem Bachkegel, der sich stetig in den See schiebt. Weshalb sich die Grenze laufend verändert:
St. Wolfgang (Oberösterreich) legt zu, Strobl (Salzburg) schrumpft.

Bad Ischl: Endstation

Vor dem Bahnhof Bad Ischl steht heute eine originalgetreue historische Zuggarnitur (deren Lok aber nie auf der Ischlerbahn im Einsatz war). Hier war nicht nur Endstation der Bahn, hier endet auch unsere Radtour. Oder noch besser: in der Konditorei Zauner, der ehemaligen k.u.k-Hofzuckerbäckerei.

Wegen der Aussicht auf sündhaft-süße Belohnungskalorien ziehen sich die letzten Radkilometer nach Bad Ischl noch etwas. Das Ende der Ischlerbahn hingegen kam umso schneller. Zwar verbuchte sie 1946 mit 2,15 Millionen Fahrgästen noch den Allzeitrekord – auch wegen »Hamsterfahrten«, bei denen hungrige Städter nach dem Krieg am Land Nahrung besorgten. Bald jedoch hatte die altmodische Bahn keine Chance mehr gegen den Individualverkehr.

Ende September 1957 wurde der Dampfkessel ein letztes Mal angeheizt, dann fuhr die Ischlerbahn dauerhaft aufs Abstellgleis der Geschichte. An sie erinnern bis heute: der Ohrwurm »Zwischen Salzburg und Bad Ischl« aus dem Film »Kaiserball« (1956) von Franz Antel. Die Operette »Der Feurige Elias« aus dem Jahr 1963. »Ischlerbahnstraßen« in Salzburg, Eugen-dorf und Thalgau. Und viele liebevolle Erinnerungen, die sich tief ins Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt haben – nicht nur bei Nostalgikern. Welche Erinnerung nehmen Pedalritter von heute aus der Ischlerbahn-Ära mit? Vielleicht, dass etwas Gemächlichkeit guttut. Beim Radfahren sowie im Leben ganz allgemein. Und wer war in puncto Bedächtigkeit Trendsetter? Genau: wieder einmal der Kaiser selbst.

Was man unbedingt wissen muss…
Radroute Eugendorf – Bad Ischl

Länge:                   59 Kilometer

Fahrzeit:               rund 3,5 bis 4 Stunden

Steigung:              etwa 220 Meter

Verlauf:                meist auf Radwegen und verkehrsarmen Nebenstraßen

Belag:                   7 Kilometer Schotter, ansonsten Asphalt

Anforderungen:  E-Bike oder gute Fitness (für Scharflinger Höhe),
sonst einfach und recht flach

Ausgangspunkt:  Pfarrkirche in Eugendorf

Beschilderung:    »Salzkammergut-Radweg«, »R2« (ab Strobl)

GPS-Track:             www.salzkammergut.at

Rückreise vom Bahnhof Bad Ischl:

Per Bus:

•  Bus Nr. 150 bis St. Gilgen, Nr. 156 bis Mondsee, Nr. 140 bis Eugendorf oder

•  Bus Nr. 150 bis Salzburg-Gnigl, dann Nr. 140 bis Eugendorf

Per Bahn:

•  Von Bad Ischl über Attnang und Neumarkt/Wallersee nach Eugendorf;

    Fahrpläne und Radtransport: oebb.at, salzburg-verkehr.at/extras/fahrradmitnahme

Radverleih in Eugendorf:

•  Radwerk2010 (www.radwerk2010.at)

•  Bei etlichen Gastgebern – bitte nachfragen!

Autorin: Franziska Lipp

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